Aus einer inspirierenden Zusammenarbeit zwischen Forschenden aus Finnland und Deutschland entstand 2021 die „Scientific-Coffee“-Reihe in der Forschung zu Mensch-Wald-Beziehungen vorgestellt und diskutiert wird. Nach 10 Sitzungen mit über 200 Teilnehmenden feiert die Online-Wissenschaftscommunity – und freut sich auf künftige Sitzungen.
Wir – Sozial- und Geisteswissenschafter:innen aus Finnland und Deutschland, die zu menschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zum Wald forschen – riefen 2021 die „Scientific Coffee Sessions Human-Forest Relationships (HFR)“ ins Leben. Die weltweiten Reisebeschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie zwangen uns ins Home Office in Jena, Berlin, Tampere, Helsinki und Savonlinna, zusammenarbeiten und uns austauschen wollten wir trotzdem. Unsere Vision war ein Ort für offene und entspannte wissenschaftliche Diskussionen, internationalen Austausch und größere Sichtbarkeit unserer Forschung zu menschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zum Wald zu erschaffen.
Wachsendes Interesse an den „Forest Humanities“
In diesem Herbst feierten unsere „Scientific Coffee Sessions Human-Forest-Relationships (HFR)“ mit ihrer 10. Ausgabe nun ihr zweijähriges Jubiläum. Die Scientific Coffee-Reihe trägt zu einer größeren Sichtbarkeit der geistes- und (qualitativen) sozialwissenschaftlichen Forschung zu Wald, seiner Nutzung und der Forstwirtschaft bei. Das konzeptionelle Dach, unter dem die verschiedenen Themen und Forschungsperspektiven zusammenkommen, ist das Interesse an den Beziehungen zwischen Mensch und Wald. Die Präsentationen und Diskussionen befassen sich mit verschiedenen Aspekten dieser komplexen und umkämpften Beziehung in Bezug auf Waldnutzung und Schutz. Insbesondere die öffentlichen und politischen Debatten über die Forstwirtschaft waren in den letzten Jahren Gegenstand der Scientific Coffee-Reihe, ebenso wie Fragen im Zusammenhang mit Eigentum, Förster:innen und marginalisierten Positionen von z.B. indigenen Communities. Das Human-Forest-Relationships (HFR)-Konzept ermöglicht eine themen- und perspektivenübergreifende Betrachtung, die interessierte Forschende aus verschiedenen Disziplinen, Institutionen und Ländern zusammenbringt.
Im Mittelpunkt der 10. Ausgabe standen die Sámi in Finnland, die einzige indigene Gemeinschaft innerhalb der EU. Anna Ott, Doktorandin am finnischen Umweltinstitut SYKE, sprach über die Konflikte zwischen den Sámi und dem finnischen Staatsunternehmen Metsähallitus sowie privaten Waldbesitzer:innen um Rentierhaltung, Holzeinschlag und gegensätzliche Naturbeziehungen. Unterschiedliche Ontologien prägen diesen Konflikt, der sich vorallem um Fragen des Landbesitzes und der Landnutzung dreht. Koloniale Machtverhältnisse und der hierarchische Dualismus von Mensch und Natur, der tief in der modernen Ontologie verwurzelt ist, werden durch die Erzählungen, Lebensweisen und die alternative Ontologie der Sámi in Frage gestellt. Nach Anna Otts aufschlussreichem Vortrag über diesen Konflikt entwickelte sich eine kontroverse und teilweise sehr politische Diskussion. Mit über 20 Teilnehmenden waren viele verschiedene Perspektiven vertreten, und die Diskussion sprang zwischen Holzeinschlag in Finnland, (De-)Kolonialismus, verschiedenen Definitionen eines „traditionellen“ Lebensstils und Einblicken in die Situation der Sámi in Schweden und Norwegen hin und her.
Teil der „Scientific Coffee Community“ werden!
Die Covid-19-Pandemie liegt hinter uns und das normale akademische Leben mit seinen Reisen und internationalen Konferenzen hat uns wieder eingeholt, aber die „Scientific Coffee“-Reihe hat die Pandemie überdauert. Sie konnte sich als fester Bestandteil des internationalen Austauschs und der Diskussion zwischen Forschenden aus Deutschland, Finnland, Estland und darüber hinaus etablieren. Bislang haben über 200 Personen an den Sitzungen teilgenommen. Bei jeder Sitzung sind sowohl bekannte als auch neue Gesichter dabei. Die zweistündigen „Scientific Coffee Sessions“ laufen immer ähnlich ab: Sie beginnen mit einer 30-40-minütigen Präsentation, die Einblicke in aktuelle Forschung gibt. Anschließend ist viel Zeit für Diskussionen und Fragen eingeplant. Der Fokus auf Austausch und Dialog ermöglicht tiefe Einblicke, das Andiskutieren neuer Forschungsfragen und Andenken zukünftiger Kooperationsideen.
Das zweijährige Jubiläum in diesem Herbst markiert einen Meilenstein in der internationalen Zusammenarbeit. Die „Scientific Coffee-Reihe wird gemeinsam vom Projekt Mentalitäten im Fluss (flumen) und dem Human-Forest Relationship Research Club der Finnischen Gesellschaft für Forstwissenschaften veranstaltet. Jana Holz(Projektmitarbeiterin und Doktorandin im Projekt flumen, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland), Tuulikki Halla (Projektmitarbeiterin und Doktorandin, Universität Ostfinnland), Dr. Jaana Laine (Dozentin, Technische Universität Lappeenranta) und Reetta Karhunkorva (Expertin Waldkulturen, Lusto Forest Museum) haben die Reige initiiert und moderieren sie weiterhin abwechselnd.
Für die kommenden Monate haben wir weitere „Scientific Coffee Sessions HFR“ sowie verschiedene Konferenzpräsentationen geplant.
Haben Sie Sie Interesse, 2024 in der „Scientific Coffee“-Reihe vorzutragen?*
Kommen Sie gerne zu unserer nächsten „Scientific Coffee Session HFR“ am 23. November 2023, 13:00-15:00 Uhr CET / 14:00-16:00 Uhr EST: Mónica Hernández Morcillo von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Deutschland, trägt vor zum Thema: „A Regenerative Approach to Forestry: Insights from the Indigenous Culture Kogi“ **
Wir sehen uns dort – mit einer Tasse Kaffee in der Hand!
* Bitte kontaktieren Sie jana.holz (ät) uni-jena.de oder tuulikki.halla (ät) uef.fi für weitere Informationen zur Teilnahme an den Scientific Coffee Sessions HFR oder für weitere Fragen zur Zusammenarbeit.
** Bitte kontaktieren Sie judith.kiss (ät) uni-jena.de für weitere Informationen und den Zoom-Link.
Autoren: Jana Holz, Maximilian Clemens, Tuulikki Halla
Vortragende 2021-2023
- Anne Matilainen (Project Coordinator, University of Helsinki): “Feelings of psychological ownership towards forests”
- M.A. Lukas Fehr (Eberhard Karls University of Tübingen, Ph.D. candidate (Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, University Tübingen), M.A. applied cultural studies (University Tübingen)): “Narratives and interpretations of forests in the forestry and timber sector between recreation and wood production”
- Ph.D. Tuomo Takala (University of Eastern Finland, Ph.D): “Critical discourse analysis as a method and a theory”
- M.Sc. Dominik Menton-Enderlin (Forest Research Institute Baden-Württemberg, FVA): “’Basically this is all my forest’ – qualitative and quantitative research results on psychological ownership among forest visitors in Germany”
- Ph.D. Maija Halonen (University of Eastern Finland, Department of Human Geography): “Socio-economic forest relations in northern peripheries”
- M.A. Ronja Mikoleit (Doctoral candidate (Faculty of Environment and Natural Resources, University of Freiburg), M.A. Sociology (University of Potsdam)): “Climate heroes in the forest – Heroic (self-)representations in forestry and their consequences”
- M. Sc. Jenni Simkin (Natural Resource Institute Finland, Doctoral candidate (Department of Forest Sciences, Helsinki)): “Should you visit a managed or natural forest for the best of your well-being?”
- Ph.D. Peeter Vihma (Estonian University of Life Sciences, Ph.D. Culture and Society (University of Helsinki), M.A. Institute of International and Social Studies (Tallinn University)): “Origins, peace negotiations and failures in Estonian ‘Forest War’”
- Ph.D. Maie Kiisel (University of Tartu, Estonia, Ph.D. Faculty of Social Sciences and Education (University of Tartu), M.A. Faculty of Social Sciences and Education (University of Tartu)): “The resonance of macro challenges in forestry debate of Estonia (multi-level perspective approach)”
- M.Sc. Anna Ott (SYKE, Finnish Environment Institute, M.Sc. Global Development (University of Copenhagen), Doctoral candidate (University of Lapland)): “Sámi reindeer herders’ fight for preserving and renewing – An analysis of the conflict over forest in the Sámi homeland”
[1] Siehe Halla et al 2023.