Jana Holz: Vortrag zu Bioökonomie als extraktivistische Praxis auf der Doc­toral Stu­dents‘ Annual Conference, Helsinki

Jana Holz präsentiert einen Zwischenstand ihrer Forschung bei der „Doctoral Students‘ Annual Conference: (De)Naturalising Extractivism: Investigating its Social Orders and Resistances” am 20 Oktober 2020. Die Konferenz findet komplett online statt und ist Teil des EXALT Symposiums. Unter dem Titel „The (Non-)Conflict around Forest Bioeconomy in Finland. Locally Rooted ‘Green Extractivism’ under Revision” diskutiert sie die Finnische Forstwirtschaft als eine möglichweise extraktivistische Praxis und beleuchtet damit einhergehende Konflikte sowie kritische Entwicklungen.

Working Paper Nr. 1 veröffentlicht

Die Nachwuchsgruppe flumen hat die erste Nummer ihrer Working-Paper-Reihe online gestellt. Er kann hier aufgerufen werden.

Dennis Eversberg (2020): Bioökonomie als Einsatz polarisierter sozialer Konflikte? Zur Verteilung sozial-ökologischer Mentalitäten in der deutschen Bevölkerung 2018 und möglichen Unterstützungs- und Widerstandspotentialen gegenüber bio-basierten Transformationen.

Abstract

Dieses Papier entwickelt mit den Daten der Befragung „Umweltbewusstsein in Deutschland 2018“ von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt eine Typologie von elf unterschiedlichen Mustern sozial-ökologischer Einstellungen oder Mentalitäten in der deutschen Bevölkerung und fragt danach, inwiefern die Transformationen von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einem post-fossilen Modell, die derzeit unter dem Schlagwort der Bioökonomie diskutiert werden, Gegenstand von zunehmenden Spannungen oder Konflikten zwischen sozialen Gruppen mit unterschiedlichen Mentalitäten werden. In einem ersten Schritt werden mit Hilfe einer Faktorenanalyse sechs verschiedene Dimensionen sozial-ökologischer Einstellungen identifiziert, bevor dann im Abgleich der Ergebnisse von drei unterschiedlichen auf diesen Faktoren basierenden Clusteranalysen elf verschiedene Typen von Einstellungsmustern voneinander abgegrenzt und in ihren verschiedenen Varianten beschrieben werden. Mittels Indizes für die kulturelle und ökonomische Kapitalausstattung der Befragten werden diese Einstellungsmuster dann in ihren jeweiligen idealtypischen Verortungen im sozialen Raum nach Bourdieu zueinander ins Verhältnis gesetzt und in ihren wechselseitigen Beziehungen untersucht. Dabei ergibt sich das Gesamtbild einer groben Dreiteilung der Bevölkerung in ein ökosoziales Lager, das ca. ein Drittel der Bevölkerung umfasst und weitreichende Vorstellungen einer postfossilen Transformation nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der vorherrschenden Lebensweisen aktiv befürwortet, ein liberal-steigerungsorientiertes Lager von rund 40%, das an Vorstellungen von ökonomischem Wachstum und steigendem Wohlstand festhält und solche Transformationen bislang nicht zu akzeptieren bereit ist, wenn sie diese Ziele in Frage zu stellen drohen, sowie ein autoritär-fossilistisches Lager, das faktisch eine Rückkehr zu überholten Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen des 20. Jahrhunderts anstrebt, die auf bio-basierter Grundlage unmöglich sein wird. Die (noch) eher latente Konfliktkonstellation zwischen diesen drei Lagern am „Vorabend“ der Fridays-for-Future-Proteste wird skizziert, bevor abschließend gefragt wird, welche Vorstellungen einer bioökonomischen Transformation aus Sicht der verschiedenen Mentalitäten und Lager Unterstützung finden, aber auch zu welchen zunehmenden Polarisierungen sie führen könnten.

Interdisziplinärer Workshop „It’s the (bio)economy, stupid!“ 7./8. Oktober 2020

Foto: Jan-Peter Kasper

It’s the (bio)economy, stupid!
Die Zukunft des Wachstums und das Versprechen der Bioökonomie

Interdisziplinärer Workshop am 7./8.10.2020, Friedrich-Schiller-Universität Jena


Bericht
Programm
Präsentationen im Workshop

Videos

Mario Giampietro, ICREA Research Professor, Institute of Environmental Science and Technology (ICTA) at the Universitat Autònoma de Barcelona: “The policy legend of the circular bioeconomy: A biophysical view of the sustainability predicament”, Online Vorlesung, 7. Oktober 2020. Moderation: Anne Tittor


Daniela Thrän, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, 2012-2019 Ratsmitglied des Bioökonomierats: “Bioeconomy’s Contribution to Economic Growth”, Online Keynote, 8. Oktober 2020. Moderation: Dennis Eversberg.


Worum es ging:

Das vorherrschende Narrativ in den laufenden Debatten um die Bioökonomie zeichnet das Bild einer künftigen Wirtschaft, die auf Erneuerbaren Energien und biologischen Ressourcen basiert. Es verspricht modernen Gesellschaften ein “grünes” Wirtschaftswachstum, durch das es möglich werde, eine auf fossilen Rohstoffen und Energieträgern basierende Wirtschaft hinter sich zu lassen und so eine nachhaltige Zukunft aufzubauen.

Doch ist dieses Versprechen eines neuen, biobasierten Zyklus von Wachstum und Kapitalakkumulation erfüllbar? Können auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaften, die gleichzeitig auf bioökonomischen Stoffen und Ressourcen basieren, wirklich nachhaltig und global gerecht gestaltet werden? Ermöglicht die Bioökonomie eine Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie die Entkopplung von Ressourcendurchsatz und BIP? Oder würde die Transformation moderner Gesellschaften hin zu postfossilem, biobasiertem Wirtschaften die Überwindung des grenzenlosen Wachstums-Paradigmas voraussetzen?

Während fossil basierte Wirtschaften auf einem stetig wachsenden linearen Durchsatz und einer permanenten Ausweitung der Förderung fossiler Ressourcen aufgebaut sind, fußen biobasierte Wirtschaften auf Stoffen, deren Verfügbarkeit biophysikalischen Grenzen und zyklischen Regenrationsprozessen unterworfen ist und nicht beliebig erweitert und beschleunigt werden kann. Diese Dynamik der Ausweitung der benötigten Energie- und Gütermengen kann in einer auf erneuerbaren Ressourcen beruhenden Wirtschaft nicht ohne weiteres beibehalten werden. Allerdings sind als Folge jedes möglichen Bruchs mit der fossilen Logik des expansiven Abbaus natürlicher Ressourcen wirtschaftliche Krisen und neue Verteilungskonflikte zu erwarten. Andererseits könnte ein Umsteuern zu bio-basiertem Wirtschaften auch Ausgangspunkt für einen grundlegenderen Wandel moderner Gesellschaften sein: die gesellschaftliche Organisation von Lohn- und Care-Arbeit, Konsummuster oder auch die Vorstellungswelten der Menschen könnten neu verhandelt werden, oder zumindest könnte deutlich werden, dass ein Wandel in diesen Feldern nötig ist.

In ganz ähnlicher Weise verkünden politische Akteure und Strategien oftmals, dass die Bioökonomie weitreichende Veränderungen mit sich bringen wird: die Bioökonomiestrategie der EU sagt Europa „rasche, untereinander abgestimmte und nachhaltige Veränderungen seiner Lebensweise und seines Umgangs mit Ressourcen auf allen Ebenen der Gesellschaft und der Wirtschaft“ voraus. Gleichzeitig scheinen die konkreten Handlungen von Schlüsselakteuren aus Politik, Wissenschaft und Industrie auf die Erwartung gestützt zu sein, dass die Bioökonomie es ihnen ermöglichen wird, mit dem business-as-usual fortzufahren und um eine Abwendung vom Wachstumsparadigma herumzukommen.  

Ziel unseres Workshops war es, die Beziehungen zwischen Bioökonomie und Wirtschaftswachstum aus einer multidisziplinären und globalen Perspektive zu diskutieren. Darüber hinaus wollten wir einen Austausch zwischen Debatten zu ökologischen und sozialen Folgen der Bioökonomie sowie den kritischen Debatten um nachhaltiges Wachstum, grünes Wachstum und Degrowth voranbringen.