Abschlussveranstaltung der Online-Veranstaltungsreihe der BMBF-Nachwuchsgruppe „Mentalitäten im Fluss“ (flumen) und des Runden Tischs Klima und Umwelt Jena Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit?
Hintergund
Ende 2020 legte die Jenaer Stadtverwaltung dem Stadtrat den Entwurf eines sogenannten Haushaltssicherungskonzeptes (HSK) vor. Der umfangreiche Katalog von Maßnahmen zur Kürzung von Ausgaben und Erhöhung von Einnahmen über einen Zeitraum von fünf Jahren, den das HSK vorschlug, sollte neben der Konsolidierung der Finanzlage ausdrücklich dem Ziel der Absicherung eines längerfristigen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums der Stadt dienen: „Maßnahmen, die direkt ein Wachstum von Wirtschaft und Steuerkraft bewirken, sind wichtiger als solche, die das nicht oder nur indirekt tun“ (S. 19). Wachstum sei alternativlos, ja es sei sogar die einzige Chance (S. 20) für eine finanziell klamme und einer Vielzahl von Risiken ausgesetzte Stadt, aus ihrer misslichen Lage herauszukommen und ihre Probleme zu lösen.
Nicht zuletzt gegen diese einseitige Fixierung auf immer weiteres Wachstum richteten sich die Proteste eines breiten Spektrums von Akteur:innen der Stadtgesellschaft, die dazu beitrugen, dass das Konzept – nicht aber viele seiner Maßnahmen – inzwischen vom Tisch ist. Die Kritik richtete sich aber nicht einfach auf die Sicherung des Anteils der eigenen Interessengruppe am kleiner werdenden Kuchen des Stadthaushalts, sondern argumentierte aus einer langfristigen, von den Voraussetzungen einer klimaneutralen und sozial gerechten künftigen Stadtgesellschaft ausgehenden Perspektive, aus der die Priorisierung immer weiteren Wachstums auch auf kommunaler Ebene als nicht dauerhaft tragbar erscheint, und sie war zentral mit der Forderung nach einem Dialog über Alternativen verbunden. Dieser Dialog steht ungeachtet der Zugeständnisse bei den Kürzungen weiter aus.
Hier knüpfen wir mit dieser Veranstaltungsreihe an, um zu fragen: Ist eine Stadt wie Jena wirklich auf Gedeih und Verderb zum Wachstum verdammt? Ist es wirklich ohne Alternative, Leistungen zur Bedienung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung von Stadt und Region unter den Vorbehalt weiteren Netto-Zuzugs und erhoffter kapitalstarker Unternehmensansiedlungen zu stellen? Führt kein Weg darum herum, Investitionen in aus betriebswirtschaftlicher Sicht ‚bleibende Werte‘ wie Straßen und Parkhäuser grundsätzlich zu privilegieren gegenüber Investitionen in die Menschen, in die Qualität und Zukunftsfähigkeit des Lebens in der Stadt? Unter den Bedingungen, unter denen die Kommune heute agiert, beantwortet eine Mehrheit der Ratsmitglieder diese Fragen mit ja. Der langfristig gedachten Kritik wird einer Perspektive entgegengehalten, die sich an der pragmatischen Lösung gegenwärtig akuter Probleme orientiert und strategisch stets nach Kompromissen zur Verteilung von Zugewinnen des Wachstums wie Lasten seines Ausbleibens sucht. Die Kritiker:innen, so heißt es, hätten ja keine Antworten auf die drängenden Probleme – und tatsächlich tun sie sich schwer damit, zu sagen, wie denn unter Bedingungen einer im Ganzen auf Wachstum gepolten Gesellschaft eine einzelne Kommune einen anderen, suffizienten Weg gehen können soll. Aber gibt es wirklich keine Alternative?
Diese Frage soll in dieser Reihe in einem annähernden Gespräch zum Auftakt, drei Vorträgen aus wissenschaftlicher Sicht und in einer abschließenden Diskussionsrunde mit lokalpolitischen Akteuren unter verschiedenen Gesichtspunkten näher beleuchtet werden. Alle Veranstaltungen finden online statt.
Termine
Mi 09. Juni 2021, 19 Uhr
Stadtpolitik ohne Wachstum? Perspektiven für Jena
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Silke van Dyk (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Soziologie), Christian Gerlitz (Bürgermeister und Dezernent für Stadtentwicklung und Umwelt in Jena), Gianna Mascioni (Fridays for Future), Katrin Lenk-Mimietz (Runder Tisch Klima und Umwelt) und Felix Weisbrich (Grünflächenamt Berlin Friedrichshain-Kreuzberg)
nach Anmeldung Zusendung der zoom-Zugangsdaten
vergangene Termine
Fr 16. April 2021, 18 Uhr
Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit? Annäherndes Gespräch mit
Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal
zur Anmeldung
Mi 21. April 2021, 19 Uhr
Zukunftsfähige Finanzierung geht nur, wenn die Stadt immer weiter wächst?
Vortrag und Diskussion mit Henrik Scheller, Deutsches Institut für Urbanistik
zur Anmeldung
Mi 05. Mai 2021, 19 Uhr
Wie wird weniger genug? Suffizienz als Strategie für eine nachhaltige Stadtentwicklung
Vortrag und Diskussion mit Michaela Christ,
Norbert Elias Center, Europa-Universität Flensburg
zur Anmeldung
Do 20. Mai 2021, 19 Uhr
Kommunale Wirtschaftsentwicklung im Rahmen planetarischer Grenzen
Vortrag und Diskussion mit Sandra Wagner-Endres, Deutsches Institut für Urbanistik
nach Anmeldung Zusendung der zoom-Zugangsdaten
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Kontakt: judith.kiss@uni-jena.de